Was will uns der Hahn auf dem Kirchturm sagen?
Was sucht der Hahn auf dem Kirchturm? Man weiß es nicht. Sichtbar ist: Seit dem Mittelalter ziert der Hahn so manchen Kirchturm. Manchmal finden wir ihn auf dem Kreuz wie auf dem Turm der Groß-Gerauer Stadtkirche oder als Kreuz-Ersatz wie auf der Nauheimer Kirche. Dieser Brauch hat sich möglicherweise von Württemberg aus weiter verbreitet. Der Kirchturm war für Dörfer lebenswichtig, denn er diente dazu, Menschen in Gefahren zu warnen: Die Glocken wurden Sturm geläutet, wenn zum Beispiel ein Brand ausbrach – der „Rote Hahn“ ein Haus angriff. Von den Glocken auf dem Kirchturm alarmiert, liefen Dorfbewohner zusammen, um den Brand zu bekämpfen. Ist der Hahn auf dem Kirchturm ein apotropäisches Zeichen, ein Zeichen, das solche Gefahren abwehren sollte?
Der Kirchturm mit seinen Glocken hat jedoch nicht nur die Funktion, Menschen zu warnen, sondern in Verbindung mit dem Kirchenraum hat er religiöse Bedeutung. So könnte der Hahn auf dem Turm ebenso religiöse Bedeutung haben.
Der wichtigste Jünger von Jesus Christus, der Apostel Petrus, wird mit Hilfe des Hahnenschreis eindrücklich als Versager dargestellt. Er war Jesus von Anfang an gefolgt, er hat gesehen, welche großartigen Taten der Liebe Jesus getan hat, welche wegweisenden Worte er gesprochen hat, um die Menschen dazu zu bringen, menschlich miteinander umzugehen. Und dieser Petrus hat, als es gefährlich wurde, seine Zugehörigkeit zu Jesus verleugnet: ich kenne ihn nicht, ich gehöre nicht zu ihm, hat er den Menschen zugerufen. Und als er das ausgesprochen hatte, krähte der Hahn – und Petrus ging hinaus und weinte, weil er seinen Freund und Lehrer verleugnet hatte. Der Hahn auf dem Kirchturm: Soll er uns davor warnen, Jesus Christus zu verleugnen? Uns warnen, den Freund zu verleugnen?
Der Hahn kräht morgens in der Frühe, im Übergang von der Nacht zum Tag, er ist der Künder des Lichts – und so ist er auch für Christen Künder des Übergangs vom Tod zur Auferstehung. Es ist mit dem Sterben nicht alles zu Ende, es geht weiter – neu geschaffen durch Gott erwartet sie ein neues Leben: der wahre Tag, das wahre Licht. Wie Jesus Christus auferstanden ist, so werden auch Christen aus der Nacht, dem Schlaf des Todes aufstehen, gestärkt und froh. Will uns der Hahn auf dem Kirchturm daran erinnern? Gott wird auch dich ins Licht der Auferstehung holen!
Das Wort „Hahn“ hat sich aus dem germanischen Wort „hanan“ heraus gebildet und bedeutet: der Sänger. Und so wird der Hahn als Warner, als Mahner angesehen. Er mahnt zur geistigen Wachsamkeit. Er mahnt durch die Predigten, die in der Kirche zu hören sind. Sie sollen wie der Hahnenschrei laut hinaus schallen, damit die Menschen besser werden, ihr Leben ändern und darauf achten: Was ist wesentlich? Wer ist der Mittelpunkt des Lebens? Du selbst? Gott? Wir kennen das Wort „Streithähne“ – das heißt: Der Hahn ist streitsüchtig. Er lässt sich nicht einfach schlachten, er ist der Herrscher des Hofes und als solcher gebärdet er sich. Ich habe mir sagen lassen, dass so mancher Hahn sämtliche Eindringlinge in seinem Hof-Revier angegriffen hat. Der Hahn auf dem Kirchdach ist streitbarer Warner: Lass nicht alles mit dir machen, liebe Christenheit. Manche sehen ihn freilich lieber als eine Wetterfahne, die sich nach jedem Wind dreht, ihm möglichst keinen Widerstand entgegensetzt. Nun: Die Christen sind manchmal so – aber hoffentlich nicht dann, wenn es darauf ankommt.