Interessant fand ich, dass Weidel das Thema Sozialisten angesprochen hat. National-Sozialisten sahen sich eben als Sozialisten, deswegen nannten sie sich auch so. Im Gegensatz eben zu den International-Sozialisten nannten sie sich eben National-Sozialisten (die Europa als Nation gesehen haben – darum wurde ganz Europa mit Krieg überzogen?). Und weil sie einander so nahe standen, gab es auch die heftigen Auseinandersetzungen. 2015 schrieb ich im Blog:

Ja, die International-Sozialisten waren in ihrer Weltanschauung zwar nicht national, aber nicht weniger brutal als die National-Sozialisten. Und dass der Übergang zwischen beiden ziemlich unscharf war, zeigt Götz Aly an anderen Beispielen. Zurzeit sieht es so aus, dass das Lapidare: Das darf man nicht sagen zu den Denktabu-Mauern gehört – und die verstellen, wie der Artikel sagt – den Blick. http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-zur-steinbach-debatte-wie-links-war-die-nsdap-,1472602,11584232.html

Das gemeinsame von International-Sozialisten und National-Sozialisten ist, und das will ich noch fest halten, trotz Unterschieden: Sie verachten und vernichten die Menschen. Beide tun das. Sie vernichten Menschen, die nicht in ihr ideologisches Schema passen. Beide sind totalitäre  Ideologien. Ob ich nun unter International-Sozialisten oder unter National-Sozialisten verurteilt durch ideologische Gerichte in einem Gulag oder einem KZ als Andersdenkender mein Leben fristen musste, dürfte aufs Gleiche rauskommen.

Beide sind eben in vielem gleich – auch darin, den christlichen Glauben abzulehnen und zu bekämpfen, oder indem sie die totale Kontrolle über die Menschen bekommen wollten, Stichwort: Gleichschaltung von Herz und Hirn. „Faschismus“ ist auch kein Wort, das beide trennt, weil auch sowjetische Zeitgenossen ihre Herrschaften als Faschisten bezeichnen konnten. Freilich haben sie auch Unterschiede, ist klar, sonst hätten sie sich ja auch zusammentun können (auch wenn Sowjetkommunismus und Maoismus rassistische Züge hatte [Betonung der Russen / Judenbenachteiligung und Hinrichtungen wegen des Vorwurfs internationaler Kontakte bzw. Betonung der Han-Chinesen], so ist das eine wesentliche Grundlage des NS; dem Kommunismus geht es um Klassenkämpfe, dem Nationalsozialismus um Rassenkämpfe)(*). Das ist auch an der Einschränkung der Meinungsfreiheit erkennbar: das gehört beiden Ideologien an: Alle müssen ins gleiche Horn blasen. Wer nicht mitbläst bekommt die Macht des gekaperten Staates zu spüren. Die einen blasen, weil sie einer Rasse angehören, die anderen, weil sie einer Klasse angehören.

Seit 2015 kam noch ein wichtiger Aspekt in meiner Reflexion dazu – und zwar meine Beschäftigung mit den Geschwistern Scholl https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott/theodizee-sophie-scholl-weisse-rose/ Dort schrieb ich:

Wie unterschiedlich Menschen mit dem Leiden umgehen können, ist an der Familie von Sophie Scholl bzw. an Sophie Scholl selbst zu sehen. Inge (*1917), Hans (*1918) und Sophie (*1921) Scholl sind vom National-Sozialismus begeistert. Er eint das Volk, er fördert die positiv verstandene (Bildungs-) Elite, er sorgt dafür, dass alle teilen müssen, alle sind gleich viel Wert (die zum Volk gehören) – und so versuchen sie, den National-Sozialismus zu leben und auch als Leiterinnen/Leiter der Jugendgruppen (Hitler Jugend [HJ]) zu fördern und zu verbreiten. Wobei sie von der bündischen Jugend (dj. 1.11 [Deutsche Jungenschaft]) ausgehend nicht nationalsozialistisch orientiert waren, dann aber durch den Eingang der bündischen Jugend in die HJ immer stärker nationalsozialistisch indoktriniert wurden. Ohne zu ahnen, dass er nicht dem entspricht, was sie sich von ihm erträumen. Das wird ganz deutlich: Der National-Sozialismus hat ermöglicht, dass es Mädchengruppen gab, die auch Sport trieben usw. Diese emanzipatorische Seite hat großen Eindruck auf Sophie Scholl gemacht – darum habe ich eingangs Sozialismus von national getrennt, um das emanzipatorische Element hervorzuheben – aber dass er anderes im Sinn hatte mit den Frauen, das wurde der Jugendlichen zum frühen Zeitpunkt noch nicht bewusst.

Zumindest der Nationalsozialismus hat aus vielen Traditionen und Zeitströmungen eine Ideologie zusammengebastelt.

Wie dem auch sei: Spannend finde ich, wie die Diskussion nun in der Öffentlichkeit weiter geführt wird. Ob sie wieder unter den Teppich gekehrt wird, weil es Linken zu heikel ist? Wieweit werden ideologische Vorzeichen die Diskussion bestimmen – oder sachliche Auseinandersetzung?

Allerdings: Was heißt für Weidel libertär? Das hätte mich noch interessiert. Denn Liberalismus in seiner ideologischen Form mündet in den Wokismus – und das ist vermutlich nicht in Weidels Sinn. Aber davon habe ich zu wenig Ahnung. Noch.

(*) Spannend finde ich zum Beispiel, dass im sowjetischen Kommunismus die Wirtschaft den „Arbeiter- und Bauern-Herrschern“ untergeordnet werden sollte, weil aller Besitz allen gehören sollte, und im Nationalsozialismus die Wirtschaft weitgehend privat blieb (noch?), aber den Zielen des Staates untergeordnet sein sollte.

(Nachtrag: Gemeinsam war beiden der Hass gegen die Bürgerwelt.)