Gedichte gehören zu meiner persönlichen Geschichte. Ein paar der Gedichte – solche, die die Natur betreffen – stelle ich hier vor. Sie gehören zu mir – und sind auch Vorläufer meiner wissenschaftlichen Werke: Durch sie bin ich darauf aufmerksam geworden, dass Autoren versuchen, Menschen mit Hilfe von Sprache emotional zu erregen. Sie wollen weitere Schichten im Menschen ansprechen als die der Ratio, der Logik. Und sie tun es zwangsläufig. Man muss einmal bedenken, welche Emotionen sogar Bücher hervorrufen, die versuchen, dem Geheimnis der Sprache mit Hilfe von Symbolen und Zahlen auf die Spur zu kommen: Manche würden diese in die Ecke werfen – davor schützt nur die Ehrfurcht vor dem Buch als solchem -, manche fangen an zu gähnen oder unverständig zu kichern, manchen schlägt das Herz vor Aufregung bis zum Hals. Nicht nur Gedichte können solche Reaktionen hervorrufen oder Krimis …
Meine Intention: Die Momentaufnahme blitzt in die Seele, ins Herz – oder wie auch immer. Das, was ich gefühlt habe, möchte ich im Gegenüber mit Worten hervorrufen. Meine Gedichte sind, kurz gesagt, Wort gewordene Beobachtungen von Welt und Glauben, emotional und rational.
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Auf dieser Seite nenne ich einige meiner Gedichte: Liebesgedichte, Glaubensgedichte, harte Gedichte, Quatschgedichte. Sohnemann (als er 11 Jahre alt war) sah diese Texte nicht als Gedichte an, weil sie sich nicht reimen. In der Schule haben sie zum Beispiel richtige Gedichte von James Krüss. Nun, an meine Lieblingsgedichte (z.B. Benn: Astern; Ein Wort; Günther Eich: Inventur) kommen die folgende Texte auch nicht heran . Es sind eher „Augenblicke“, die so geschildert werden, dass sie emotional treffen – WF-Gedichte eben – bzw. Videoclip-Foto-Gedichte. Über meine Lieblingsgedichte würde ich gerne was schreiben: Wenn ich doch nur mehr Zeit hätte …! Nun, bevor das ins Werk gesetzt werden kann, kommen meine Gedichte/Augenblicke vor Ihre Augen.
Ein großer Kritiker kritisierte Gedichte von Heinz Erhardt sinngemäß: Reim dich oder ich fress dich – aber ganz witzig. — Wollte Heinz Erhardt mehr? Obwohl tiefsinnig – sie können voller Witz sein. Einige Gedichte von Goethe sind auch Kalauer – die würden heute wohl auch kaum mehr durchgehen. Ich bekenne mich freudig zu meiner Naivität, zum Spaß an der Sprache, zur Freude am Denken und Formulieren. Auch als Kleinlyriker kann man sich am Reim, am Rhythmus freuen, daran erfreuen, ein paar Worte so gezielt zu setzen, dass Erinnerungen aufkommen, mit ihren Düften, Bildern, Gefühlen…
Über christliche Dichter seit den Anfängen, siehe: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/gott-in-gedichten/ (1-5; bislang bin ich erst bis ins 16. Jahrhundert gekommen).
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Ein Wort zum Thema Reime. Manchmal reime ich, manchmal nicht, manchmal unvermittelt im Gedicht. Otfried von Weißenburg hat den Reim im 9. Jahrhundert im Gedicht unserer Kultur kultiviert http://gedichte.wolfgangfenske.de/7-10-jahrhundert/ . Aber schon die christlichen Römer reimten. Die ambrosianische Hymne Te lucis ante terminum hat drei Strophen mit jeweils vier Versen. In der ersten Strophe reimen sich die Verse 3+4, in Strophe zwei vor allem die Verse 1+2 und in Strophe drei die Verse 2+3. Und so gehe ich auch vor. Wenn sich etwas reimen möchte, dann lasse ich es zu. Wenn sich etwas nicht reimen möchte, dann eben nicht. Ich zwinge ein Gedicht nicht, ich lasse es fließen. Das war allerdings nicht immer so, wie zu sehen ist.
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Wer mein Heftchen „Augenblicks-Gedichte“ nicht kaufen will, bekommt hier ein paar Auszüge: Augenblicks-Gedichte
(1) Seit tausenden von Jahren
streicht die Leopardin durch die Steppe,
pirscht geschmeidig gegen den Wind,
der das Rispenmeer in weichen Wogen wiegt,
auf ruhig weidende Antilopen zu.
Kitze bedrängen ihre Mütter –
sie duckt, spannt, rennt, alles stiebt, schaut, wittert,
nur eines nicht mehr, ein kleines,
gepackt vom kräftigen Maul,
geschleift durchs harte Gras.
Seit tausenden von Jahren.
(2) Sommer legt sein gelbes Tuch
flirrend übers weite Land.
Dieser Sommer ist ein Fluch,
alles ist verbrannt.
Welk das Grün, dürr die Rübe,
in den Beeren kocht das bisschen Saft.
Alles schreit nach Regentrübe,
selbst der Schrei ist ohne Kraft.
Vögel hörte lang schon keiner mehr,
abgemagert kriechen Mäuse.
Nur das schwarze Ameisenheer,
veranstaltet kribbelkrabbel Tanzaufläufe.
(3) Vor Erwartung schon ganz starr
harren Schoten der Lupine
auf das sanfte Sommerwehn.
Hinter der Johannisstaude
raschelt´s leis hervor:
Munter knistern Samenkugeln
durch Geflimmer in das Gras.
Zankend brechen freche Spatzen
schützende Kammern der Mohnhäuschen auf.
Wie dem auch sei:
Sonne brütet bald
aus Spatzen Pflänzchen aus.
(4) Helden des Feldes.
Die alte Erntemaschine
an der Erde festgezurrt
vom wilden Hopfen
und der rosaweißen Winde.
Rispen drängeln sich
mutig zwischen die Räder.
Ein kleines Efeu hilft.
(5) Die graugeschleckte Katze
döst in der Mittagssonne.
Leicht bewegt sie ihre Tatze,
das ganze Tier ist Wonne.
Müde blickt sie auf.
fixiert ganz kurz nur deinen Blick.
Du bist die Maus,
gleich macht es klick,
und du bist festgenommen,
die Lider schließen sich,
es gibt gar kein Entkommen,
sie nimmt dich in den Magen mit.
(6) Dein Leben hängt
an einem seidenen Faden.
Das Bodenlose grinst
dir dunkel herauf.
Du zitterst,
du tastest
nach Grund.
Spinnchen, hier,
nimm meine Hand.
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Zur „Nacht der Sinne“ in Groß-Gerau am 12.9.2008 haben die Schauspielerin Ute Ehrenfels und ich Gedichte von mir vorgelesen – und zwar dialogisch. Das war eine ganz neue Erfahrung, und ich muss sagen: Es hat sich für mich gelohnt – es hat mir Spaß gemacht.
Die Nacht der Sinne am 4.9.2009 war nass und kalt. Gedichte versuchten sich angesichts der lauten Laute von Musikanten und Stadt zu behaupten. Da merkte man, wie zart Gedichte sind. Sie flatterten ein wenig und wurden dann sofort verschlungen.
Rückblick …: Am 22.4.2009 um 19:00 Uhr haben die Schauspielerin Ute Ehrenfels und ich erneut Gedichte von mir dialogisch vorlesen – und das im Rahmen der Dichterlesung der Groß-Gerauer Volksbank – Am Sandböhl 5-15 in Groß-Gerau – bei der jeweils ein Dichter der Region und ein national bekannter Dichter lesen. Am 22.4. war ich der Dichter aus der Region – der national bekannte Lyriker war Guntram Vesper. — Das war ein gelungener Abend. Ich schätze, dass 80-100 Gäste anwesend waren – die Stimmung war sehr harmonisch. Dieser Abend machte Lust auf mehr. http://www.wcschmitt.de/page/lesereihe.html Im Rüsselsheimer Echo vom 29.4.2009 (Daniel Klose) wurden meine Gedichte aufgrund dieses Abends mit Mörike und Droste-Hülshoff verglichen. Das trage ich nun mit stolzgeschwellter Brust vor mir her. Stehe ich jedoch auf Drostes Turm, kommen mir leichte Zweifel. Dass Mörikes Frühlingsband manchmal mit seinen Düften durch mein Hirn zieht, kann ich freilich nicht leugnen https://www.genios.de/presse-archiv/artikel/DECH/20090429/beklemmende-schilderung-laendlicher/2009817690891.html .
Ein Beitrag über die Lesung bei den Landfrauen in Nauheim im November 2019: http://www.nauheim-online.de/aktuell/1911-2231.htm
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Die folgenden Gedichte habe ich im Jahr 2017 zum 10jährigen bestehen des Kulturstammtisches in Groß-Gerau vorgelesen:
Fünf Minuten Gedichte. Was ich Ihnen heute bieten werde, sind keine vollendeten Gedichte, es sind Wort-Skizzen, Fragmente, Notizen, Rohmaterial für Gedichte aus meinem Gedicht-Tagebuch. Kurz: Es sind Unvollendete.
(7) Das Chaos der Welt
schwappt nach Europa herüber.
Was können Worte?
Mauern bauen,
Herzen öffnen,
träumen lassen vom Wahren, Schönen, Guten?
Verantwortung wagen,
Verantwortung tragen?
Ist jedes Wort zu viel,
weil Worte nur Hirne vernebeln?
(8) Umweht von warmen Wortstrahlen schlief er ein.
Als die kühlen Wortschwaden kamen, wachte er fröstelnd auf.
Voller Sehnsucht nach Worten, die eine schützende Hütte bieten.
Groß ist die Macht leerer virtueller Worte!
Wie groß wird sie sein, die Macht der Worte,
gesprochen aus Wahrheit, Liebe, Glauben?
Ein Traum.
Umweht von warmen Wortstrahlen schläft er glücklich ein.
(9) Ich ging in diesem Hause ein und aus.
Mein Name hatte einen guten Ruf,
mit ihm verband man meinen Charakter, mein Verhalten, meine Worte…
Nicht lange war ich weg, komme erwartungsvoll zurück.
Mein Name ist: unbekannt.
Manch einer erinnert sich kurz an mich,
ein Zuflug an verhuschter Erinnerung,
mit verblasstem Bild,
schemenhaft –
wie hieß er noch einmal?
Und du?
Lächelst du noch manchmal verträumt,
wenn du mich in Erinnerung siehst?
(10) Ich lehne mich an das Bild,
das ich mir von dir mache.
Ich schwimme in deinen Worten,
die ich mit den Herzen höre.
Ich lasse mich tragen von deinem Atem,
den meine Sehnsucht mir zuträgt.
Bist du du,
bin ich du,
bist du ich?
Mein Herz gibt mir die Antwort,
mein Herz.
(11) Wie eine Schwalbe
baue ich mit Lehm im Mund
das Nest für die Jungen,
die Flügge werden.
(12) Sommerregen
Schon lange nicht mehr die Tropfen gespürt,
den Kopf in den Nacken gelegt und Regen getrunken,
durch Pfützen gestapft.
Schon sehr lange nicht mehr.
Warum eigentlich
nicht?
(13) Garstig politische Rede
Gras wächst drüber.
Ich liebe die Hunde,
die das Gras wegkratzen.
(14) Werft eure Sorgen auf Gott, heißt es im Neuen Testament.
Ich sorge mich um mich.
Ich sorge mich um dich.
Ich sorge mich um ihn um sie, um es.
Ich sorge mich um uns um euch.
Ich sorge mich bis ins Grab,
damit ich keine Sorgen hab.
Fröhlich lasse ich das Sorgen sein –
doch sie kommen von allein.
(15) Krank geworden
schwor er unter Tränen:
Ich ändere mein Leben.
Gesund geworden
änderte er nichts.
(16) Wenn die Nacht kommt,
der Trunkenbold grölend den Bürgersteig verfehlt,
die Partyqueen kichernd über ihre Füße stolpert,
die Liebenden schwer atmend Haut und Liebe spüren,
kann man manchmal auch Schluchzen hören,
in diesen Herzen.
Höre hin,
genau hin.
(17) Am Morgen begegnet man lieber
dem kalten Wasser,
der Kaffeetasse,
der frischen Wäsche,
der Sonne am offenen Fenster,
dem Terminkalender,
Radio, Fernseher, Zeitung, Handy,
Stress, Hektik, Unzufriedenheit und Burnout gar –
lieber als Gott.
Gott, der kleine Erholungsurlaub zwischendrin, der Wegweiser, der Stressnehmer –
ach Gott, keine Zeit!
(18) Angesprochen auf ihren langen Mittagsschlaf,
sagte sie:
Oh, man muss doch ausgeschlafen sein,
wenn man Nachts all die interessanten Fernsehsendungen anschauen will.
(19) Der Schwalbenschwarm in der Luft
Ist munter geschwätziges Durcheinander.
Der Fischschwarm im Wasser
ist stumme, glitzernde Gleichgerichtetheit.
(20) Was wäre,
wenn keine kleinen zwitschernden Federbällchen mehr durch die Luft fliegen würden?
Die meisten würden es nicht bemerken.
(21) Viele Flüchtlinge ertrinken in unserem Land.
Vielleicht wissen sie nicht, wie man in unserer Sprache
Um Hilfe schreit?
Manche Flüchtlinge werden in unserem Land gewalttätig.
Vielleicht wissen sie nicht, wie man in unserer Sprache
um Hilfe schreit?
Weitere Gedichte:
(22) Mitten beim Einkauf: Advent.
Mitten beim Staubsaugen: Advent,
beim Fahren: Advent,
am Schreibtisch: Advent.
Advent im Sommer, Advent im Nebel.
Unverhofft. ER kommt,
ist nah, ist da.
(23) Advents-Stolpern
In Geschäften dudeln Lieder,
doch im Herzen klingt Advent.
In Geschäften liegen Waren,
doch im Herzen das Geschenk.
Auf den Straßen herrscht die Hetze,
doch im Herzen warme Ruh.
Der Mensch, ich Mensch in wirrer Eile,
doch im Herzen herrschst, Gott, DU.
(24) Gottes Liebe ahnen wir,
sie lässt uns nicht im Stich.
Sie steht nicht nur auf dem Papier,
in Jesus Christus sucht sie dich.
(25) Spatzengespräch im Schnee
Kleiner Federball
wie kannst du die eisigen
Winde bestehn?
Ich hab meine Federn.
Du gibst mir die Körner.
Gott schenkt mir die Wärme
und frohes Gemüt.
(26) Der süße Duft der
Rose dringt in mich ein.
Ich möchte Rose sein.
Der strenge Geruch
gefallner Blätter herbt ein.
Ich werd Erdblatt sein.
Der Ahnungsduft des
Frühlings dringt in mich ein.
Die Höhe, Weite, Freiheit, Licht,
Leichtigkeit sind mein.
(27) Dieser alte Mann weiß
es ist Zeit,
er wird bald vergehn.
Dieser alte Mann weiß,
er bleibt,
er wird Christus sehn.
(28) Ich reib mir die Augen
und spritze mit den Sonnenstrahlen
hinauf auf den Ball,
zerstreue mich in tausend Glitzern,
durchstöbere staubige Ställe,
trockne Stumpfsinnsmorast –
ein kleines Kind erhascht mich
mit unwissend tappenden Händchen.
(29) Rolläden sperren
die Nacht aus. Die Nacht kauert
in Seelenschmerzen.
(30) Strahlende Sonne
verfinstert das Gesicht und
erleuchtet das Herz.
(31) Behutsam nahmst du meine Gedanken,
entführtest sie zu dir.
Gestärkt und fröhlich kamen sie zurück.
(32) In allen Lebenslagen
lass
dich vom Glauben tragen.
In allen Lebenslagen
lass
dich vom Glauben anderer tragen.
In allen Lebenslagen,
lass – voller Aufruhr –
vom nahfernen Gott dich tragen.