Atheismus: Ich glaube nicht an Gott
So mancher sagt: „Ich glaube nicht an Gott!“ Damit befindet er sich in einer vielfältigen Gesellschaft. Zwischen aggressiven Anti-Theisten und den Frommen Atheisten gibt es viele, die sich irgendwo zwischen diesen Extremen einordnen. Man muss aber wissen: Nicht alle Atheisten erkennen andere Atheisten als Atheisten an. Dagegen können manche Atheisten sogar alle, die aus der Kirche ausgetreten sind, als Atheisten ansehen. Das weisen Konfessionslose freilich von sich: „Wenn ich nicht in der Kirche bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht an Gott glaube!“
Hier folgt ein kleiner (unvollständiger) Überblick über Möglichkeiten, sich a-religiös zuzuordnen: Alltagsatheisten sind diejenigen, die ihren Alltag leben, als ob es keinen Gott gäbe. Manche machen sich hin und wieder Gedanken über Gott, so an Weihnachten oder wenn es ihnen schlecht geht. Manche rutschen aus Versehen in ein Leben ohne Gott hinein. Manche suchen im verwestlichten Buddhismus ihre Antworten. Manche nennen sich hingegen bewusst Humanisten, um sich von Religion abzugrenzen. Es gibt verschiedene Spielarten von atheistischen „Humanisten“, so die besonders regen „evolutionären Humanisten“. Manche nennen sich Brights, die Hellen, in Abgrenzung zu den finsteren Christen. Die Letztgenannten meiden also das Wort „A-Theist“. Das Wort bedeutet: „Ohne Gott“. Sie wollen sich nicht nach einem benennen lassen, den es aus ihrer Perspektive nicht gibt? Dabei gibt es sie als Gruppen freilich nur, weil sie sich gegen Gott wenden, wie auch immer sie sich nennen. Nicht zu verwechseln mit Atheisten sind Religionskritiker. Religionskritiker können Atheisten sein, müssen es aber nicht, denn es gibt Christen, die ihre Religion oder Kirche kritisieren. Nicht zu verwechseln mit Atheisten sind auch Agnostiker. Diese sagen: „Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt oder nicht.“ Zudem: Es gibt säkulare Menschen, denen in bestimmten Lebensphasen alles Religiöse aber auch Anti-Religiöse egal ist.
Atheismus ist im Wesentlichen im Christentum begründet. Wie das? Zwei Aspekte seien genannt: Im christlichen Glauben spielt, wie zum Beispiel Jesus zeigt, der einzelne Mensch eine große Rolle. Diese Erkenntnis ist von alten Kulturen Europas verschüttet worden, wurde jedoch durch christliche Humanisten, so von Erasmus von Rotterdam, wieder entdeckt. Die Aufklärung hat das aufgegriffen. Einer der ersten großen Atheisten, Ludwig Feuerbach, formulierte überspitzt: Nicht Gott hat den Menschen erschaffen, der Mensch hat Gott erschaffen; und: Der Mensch ist gut. Dieser Ansatz wird von Atheisten aller Couleur übernommen. Der andere Aspekt ist die Theodizee-Frage: Kann es einen liebenden, gerechten Gott geben, wenn er Leiden zulässt? Büchner formulierte den berühmten Satz: Leiden ist der Fels des Atheismus. Christen erkennen, dass Leiden nicht dem Glauben widerspricht, sondern dass der Glaube wunderbare Hilfestellung im Leiden schenkt. Atheisten schließen jedoch daraus, dass es keinen Gott gibt. Ihr Problem stellt sich in der Anthropodizee-Frage: Wenn der Mensch gut ist, wie kann er dann Böses tun? Als Folge gibt es Nihilisten, die weder an Gott, noch an den Menschen glauben. Aggressivere Anti-Theisten beantworten diese Frage so: Der Mensch ist gut, Religionen machen ihn schlecht; darum: Alles Religiöse muss bekämpft werden. Diese folgen dem zweiten großen Atheisten, Karl Marx. Wenn Christen auf Unmenschlichkeiten des Kommunismus hinweisen, können sie hören: „Ja, aber Lenin und Stalin sind christlich erzogen worden!“ Selbstkritik, die Christen lernen mussten, ist bei einigen Atheisten nicht angekommen. Da aber Marx und Jesus manches gemeinsam hatten und Sozialisten Jesus bewundern konnten, propagieren andere Atheisten: „Jesus war auch übel!“ und “von Jesus weiß man nichts!“ Natürlich weiß man viel über Jesus. Aber weil man, so die atheistische Vorgabe, nichts von Jesus wissen darf, will man auch nicht viel über ihn wissen.
Auf der anderen Seite gibt es die Frommen Atheisten. Diese erkennen, dass die christliche Religion Gutes gebracht hat (Gemeinschaft, soziale Tätigkeit, Trost, Hilfe im Gebet). Da aber der Mensch Gott erschaffen hat, wie Feuerbach behauptete, kopiert man die positiven Seiten des Christentums – aber streicht Gott. Christen sagen dagegen: „Kommt zum Original!“
Wirkungsvoll waren moderne Atheisten in der Behauptung, dass Glaube und Wissenschaft einander widersprechen. Diese Sicht hat sich verbreitet. Wer widerspricht dem? Fleißige und innovative christliche Wissenschaftler.
Zuletzt seien die Atheisten erwähnt, die traurig darüber sind, dass sie nicht glauben können. Sie lassen erkennen, dass Glaube auch für Christen ein Geheimnis ist, dass er nicht erzwungen werden kann – und: Man muss sich als neugieriger Mensch Gott gegenüber so gut man kann, offen halten.
Atheisten sind für das Christentum wichtig. Aufgrund der atheistischen Vorwürfe wurde so manches korrigiert. Das haben einige Atheisten nicht bemerkt, weil sie im 19. Jahrhundert stecken geblieben sind. Angesichts der vielfältigen Stimmen im Atheismus tun Christen gut daran, berechtigte Kritik aufzunehmen, aber ihre Fähnchen nicht nach dem jeweiligen atheistischen Wind zu hängen. Und: Wenn Atheisten wollen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn auch sie zum Wohl der Menschen wirken.