Gedichte vom Dezember 2018 bis April 2020 – aus: https://www.tumblr.com/blog/blumenwieserich

1. Erster Sonntag nach Ostern

„Der Gekreuzigte ist der Auferstandene
der Auferstandene ist der Gekreuzigte.“

Jubelnd verhaltene Freude.
Tränenspuren glänzen noch auf der Wange.

Herrlich ergreifendes Leben,
tief unten schluchzt das Trauma des Todes.

Das Friedenswort Schalom, befriedet und beruhigt,
doch noch sticht der Schmerz Seele und Gedärm.

Aufstrahlt der Lebendige, aufstrahlt der Geliebte –
erschütterte, enttäuschte Hoffnung vibriert noch nach.

Jesus, der Christ ist da, wieder da, für ewig da,
wie lange noch?

Schalom. Ich saug es auf wie dürres Land.
Schalom, Jesus, Schalom.

2. Auferstehung

Es ist einfach schön
– viele ahnen, manche wissen – :
Wir werden uns vollendet in Gott wiedersehn.
Gott, den wir jetzt von Angesicht zu Angesicht vermissen,
ihm werden wir in seiner Herrlichkeit gegenüberstehn.
– Viele ahnen, manche wissen – :
Gottes-Leben trotzt und besiegt Vergehn.

3. Ostersonntag

Am ersten Ostertag früh, saßen Liebende in ihren Wohnungen, verborgen, verängstigt, verzagt, niedergeschlagen, erschüttert. Am Sonntag zog der strahlende König ein in die Stadt, sie jubelten: Hoffnungs-Hosianna! Am Freitag schrien sie triumphierend, voller Hass, erbarmungslos: Kreuzigt ihn!

Der gefolterte Körper des Königs hing mit einer Krone aus Dornen am Kreuz
die Liebenden verkrochen sich mit Schmerzen im Herzen Stichen im Leib geschüttelt enttäuscht
Verrat Lügen Falschheit Menschenkälte Spott und Tod siegten wie die Menschen so sind
wagten sich sonntags in der dämmernden Dunkelheit drei Frauen hinaus
Tränen überströmt Tränen leer den leblosen Körper liebend zu ehren –
Wärme, Wahrheit, Liebe, Licht!
Ostern!
Er kam.
In ihre Wohnung.
In ihr Trauerhaus.
Er kam.
Jesus.
Der Messias, der Christus.
Auf einmal war er da.
Stärkte sie.
Schalom – Friede.
Wer versteht?
Freude ergreift.
Freude verströmt sich.
Wie ein wunderbarer Duft.
Im Herzen.
Im Haus.

4. Wunsch

Am Morgen wissen wir noch nicht,
ob der Tag dunkel wird oder licht.
Möge das Wunder der Nähe von Menschen,
möge das Wunder der Selbstannahme,
möge das Wunder der Nähe Gottes
dich begleiten –
und das Wunder der kleinen Schönheiten.

5. Kind der Auferstehung

Kind der Auferstehung,
immer stehst Du auf.
Kind der Auferweckung,
in Ewigkeit.

6. Chaoskind

Ich bin ein Chaoskind,
ein Kind des Zweifels,
ein Kind der Schmerzen.
Vergänglich.
Ich bin als solches ein Gotteskind.
Ein Kind des Gotteslobes.
Ein Kind der Geborgenheit.
Ein Kind der Ewigkeit.
Vater im Himmel,
Du kennst mich
und änderst mich.
Behutsam?

7. Karfreitag 2020 weltweit

Tote in Häusern – einsam gestorben.
Tote auf Straßen – ungeborgen.
In Krankenhäusern gestapelt liegen die Toten,
in Kühlwagen, Arenen und sonstigen Räumen.
Lange Schlangen Angehöriger stehen mit ihren Toten
vor Friedhöfen, wartend auf kleine Gruft ewiger Ruh.
Wo sind sie geblieben, die geliebten Menschen – nun tot?
Menschen irren suchend durch Behörden und Straßen.
Helfenden hat die Hände gefesselt der Tod:
Erschöpft, gefährdet, dennoch verzweifelt liebend in dieser Not.
Der Gestank des Todes liegt über Stadt und Land.
Die Angst des Todes hat sich in die Herzen gebrannt.

Es gibt kein Happy End.
Es gibt Überlebende.
Ja. Hier und bei Gott.
Aber es gibt kein Happy End.
Oh Gott!

8. Er wünschte

Er wünschte, das Schwere würde wegfliegen.
Er wünschte, das Leichte würde auf ihn herabsinken.
Er wünschte, mit Gottes Kraft, Schweres tragen zu können.
Er wünschte, mit Gottes Kraft, Leichtes dankbar sehen zu lernen.

9. Kritiker

Schauen auf die Kritiker, hören auf die Wenns und Abers,
verführen lassen von emotionalisierender Glitzerwelt…?
Gottes wunderbares Handeln lenkt den Blick, das Ohr, das Gefühl auf sich:
auf den Unscheinbaren, Unbeweisbaren, Unsagbaren,
auf den, der alles durchdringt, belebt, mit Liebe ansieht und umwirbt,
den, der Herrlichkeit ist, Gesang, Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit.
Mein Herr und mein Gott.

10. Licht

Wir zünden ein kleines Licht an –
aus Sehnsucht nach dem großen Licht,
das unsere Nacht erhellt.
Wir knipsen viele elektrische Lichter an –
aus Sehnsucht nach dem großen Licht,
das die Nacht der Welt erhellt.

Keine leere Sehnsucht bestimmt uns.
Das Licht war schon da,
es ist da mit seinen Strahlen in Herz, Seele, Verstand.
Es wird wieder kommen,
das wurde versprochen.

11. Noch höher

Hoch –
höher –
noch höher –
noch höher –
bis zur höchsten Höhe –
und dann noch höher.

12. Einsamkeit

Einsamkeit nutzen zu wissen.
Lauschen in der Stille zu Gott.
Einsamkeit wirksam machen.
Tätig werden im Erneuern.
Einsamkeit –
beten für die Welt.

13. Erliebt unser Auferstehen

Gott hält unser Fallen.
Seine Hand in Allem
erliebt auch unser Auferstehn.
Er der Schöpfer, der Erlöser,
er das Tor zum Leben, das Todesziel:
Gott hält unser Fallen.
Seine Hand in Allem
erliebt auch unser Auferstehn.
(Gedanke zu Rilkes Herbst.)

14. Frühstück

Der Kaffee brüht,
wer hat ihn wohl geerntet?
Die Hose sitzt,
wer hat sie wohl gewebt?
Der Teppich wärmt,
wer hat ihn wohl geknüpft?
Das Brot schmeckt gut,
wer hat es wohl gebacken?
… die Maschine?
Doch wer hat sie bedient,
im Kongo, in Indien und irgendwo hier?
Wie lebt der Mensch?
Was denkt er – was denkt er sich dabei?

15. Wenn Gott tot ist

Wenn Gott tot ist,
wenn der Glaube tot ist,
wankt die Liebe,
vereist die Hoffnung,
verliert sich der Mensch –
an welchen irrenden Geist?
Gott glaubt an uns – sein Geschöpf.
Immer wieder fängt er neu mit uns an.

16. Glaube an…

Der Glaube an Gott wurde abgelöst vom Glauben an den Menschen,
der Glaube an den Menschen wurde abgelöst
vom Glauben an die Technik, der wurde abgelöst
vom Glauben an die Naturwissenschaft, die wird abgelöst
vom Glauben an…
Kann jemand in die Zukunft sehen?

17. Oh, sagte der Vogel

Oh, sagte der Vogel,

damit ich höher fliegen kann,

muss ich mich von meinen Federn trennen,

damit ich leichter werde.

18. Himmelfahrt

Jesus Christus
entschwunden den Blicken,
verborgen
in Gott, in Welt, in dir und mir.

Jesus Christus
so fern…
darum so unendlich nah.

Jesus Christus –
wo?
Im aufbauenden Wort,
in liebender Liebe,
im klaren Geist,
im Schmerz, der seine Nähe spüren lässt.

19. Last

Manchmal mag die dunkle Last schwer sein,
sie ist es, manchmal über die Maßen.
Manchmal, Freundin, ahnt man den Sinn, den Nutzen, das Gute.
Meistens ahnt man ihn nicht, ich weiß.
Dann legen wir, wie sehr auch immer die Last uns belastet,
diese in die Hand dessen, dem wir gehören.
Er weiß. Unser Gott weiß.

20. Glaube und Zweifel

Unsere Zeit mag nicht vom Glauben reden,
ohne gleich den Zweifel in den Blick zu nehmen.
Warum?
Der Glaube ist eine eigene Größe, der ohne Zweifel leben kann.
Der Zweifel ist nur Beifang, als solcher auch zu werten.

21. Lichter in der Geschichte

In der Geschichte gibt es unzählige viele Lichter der Menschlichkeit:
ganz kleine, größere, große.
Es ist schön, dass es diese vielen Lichter gibt:
Eine unterbrochene Lichterkette in der Finsternis.
Sie sind leicht zu übersehen,
die Finsternis übermannt so manches Auge.
Es kann die Lichter nicht mehr wahrnehmen.
Sie zu sehen und sich einzureihen –
das ist ein großes Lebensziel.
Gott gebe es, dass es gelingt.

22. Auferstehung

Was bedeutet Auferstehung?

Wir können der Zukunft ins Gesicht schauen.

Ohne Angst, mit Freude.

Ihr Gesicht heißt:

Jesus Christus.

Halleluja!

23. Leiden

Unser Leiden – Mitleiden mit Christus.
Jesu Christi Leiden – er leidet mit uns.
Wie oft zerriss er nicht unsere Fesseln.
Wie oft schloss er nicht, die Gefängnistüren auf.
Wie oft war seine heilende Hand nicht bei uns.
Im Gefühl, von ihm verraten worden zu sein,
zerrten wir an unseren und anderer Fesseln,
rannten wir gegen die Gefängnistüren,
reichten einander heilende Hände.
Im Gefühl, von ihm verraten worden zu sein,
sahen wir ihn. Bei uns. Leidend. Aufbegehrend.
Wir wiesen ihn ab. Ja, wir wiesen ihn ab.
Fühlten uns im recht, ihn abzuweisen,
denn er hat die großen Wunder, die wir von ihm erwarteten, nicht getan.
Einsam sind wir, voller Sehnsucht, unruhig wälzen wir unser Leben herum.
Seine Anwesenheit aber – ist uns nicht genug.
Unser Leiden – Mitleiden mit Christus.
Jesu Christi Leiden – er leidet mit uns.

24. Christ ist Sieger

Der Christ ist immer Sieger – auch wenn er nach menschlichen Maßstäben verliert.
Das sieht man an Jesus Christus.
Verspottet und verhöhnt.
Einsam, verlassen von allen Nahestehenden.
Das Lebensziel zerbrochen, dein Leben sinnlos.
Umgeben von Heuchlern, Gewalttätern, Denunzierern.
Triumphierende Bosheit, die meint Gutes zu tun.
Triumphierende Bosheit – gottlos.
Vom Sieg nichts zu erkennen.
Nur Bitterkeit, Leiden.
Hingerichtet.
In Gott.
Leben.
Sieg.

25. Tod

Du sollst keinen anderen Gott neben mir haben, sagte der Tod. Ich bin der Herrscher, ich beherrsche alles, ich beherrsche Dich – auch wenn Du mich geflissentlich übersiehst, vergisst, verdrängst, mir ein Schnippchen schlägst, aus mir eine Verstandessache machst, loskoppelst von Emotion und Entsetzen, lächelnd und cool aufgibst, das Leben zu feiern. Das bin ich: Ich mache dich zu einem willenlosen Zombie, indem ich Dein Lebenscode umschreibe zu einem Code des Todes. Du magst mich nicht – darum rede mich schön, verharmlose mich – ich bin sowieso der Herr, Deine Zukunft gehört mir! Vergiss das Leben – vergiss den Gott des Lebens – auch er ist mein, er ist tot.

Schwestern, Brüder, nicht mit mir!
Der Tod verstellt nur machtvoll den Blick ins Leben, das Gott schenkt –
er stellt sich mächtig in den Weg.
Gott, der Materie zum Leben erweckt,
wird auch unsere Lebens-Zukunft sein.
Mit ihm kann uns der Tod nicht umprogrammieren zu Kinder des Todes.
Gott ist unsere Lebens-Zukunft, schon jetzt.
Wir sind Kinder des Lebens.
Wir sehen durch den Tod hindurch das Leben, das Gott schenkt.
Nicht immer.
Nein, nicht immer.
Weiß Gott, leider nicht immer.
Jesus Christus – der Rebell gegen den Tod – und ich auf seiner Seite,
auch gegen den Augenschein,
Schwestern, Brüder.

26. Gott und Nichts

Wenn wir in das Gefühl des Nichts nach Gott fragen,
tragen wir Gott in das Nichts.
Wenn wir im Gefühl des Nichts nach Gott fragen,
bin ich, das Etwas, im Nichts – und Gottes Stille ist im Nichts.
Gottes Stille und ich – ich und Gottes Stille
füllen das Nichts – füllen es mit Leben und Stille in Gott.

27. Witzig: Besonders kritisch

Witzig ist,
dass der heute als besonders kritisch gilt,
der das glaubt,
was die Mehrheit glaubt:
an Nichts.
Humus.
Pseudowissenschaftlich.
Seelenlos.
Der Mensch nur eine Art evolutionärer Affe.
Frei im Raum des Nichts.

Die Kritischen müssten
sich selbst gegenüber
kritischer sein.
Die Kritischen müssten
der Welt gegenüber
kritischer sein.

28. Traum des Lebens

Er träumte.
Er erwachte.
Er wusste:
Dieser Traum war etwas Besonderes.
Dieser Traum verändert sein Leben.
Nur: Was hatte er geträumt?

29. Glaube und Zweifel

Wir können dem Glauben
oder dem Zweifel Nahrung geben.

Es liegt an uns.

Möge es der Glaube sein,
damit das Leben im Licht Gottes gelinge.

30. Gott braucht dich

Wenn einer sagt: Ich brauch Gott nicht,
heißt das noch lange nicht:
Gott gibt es nicht.
Weil es Gott gibt,
sagt Gott: Ich brauche Dich,
die Welt zum Guten zu verändern.

31. Freude um Freude

„Von seiner göttlichen Fülle haben wir alle genommen Freude um Freude.“ („Charis“ heißt nicht nur Freude, sondern auch Gnade; Johannesevangelium 1,16)

Im Zweifel ist er Hoffnung,
in Traurigkeit ist er Dank,
im Irrtum ist er Wegweiser,
in Einsamkeit bietet er Gemeinschaft.
In die Stille hinein spricht sein Wort,
in seinem Wort spricht umfangende Liebe.
Er ist der, der ich bin Licht, Leben, Brot, Weg, Wahrheit.
Der „ich bin da“
ist Mensch geworden, in seinem Geist mir nah.

32. Ich, mein Richter (24.12.2018)

Man kann in Lebensabschnitten die Erkenntnis haben:
Ich habe nur dieses eine Leben:
Was habe ich daraus gemacht?
Lauter Irrwege aneinandergereiht –
aber so schlimm waren sie nicht.
Waren sie nicht?
Andere haben auch kein besseres Leben,
im Gegenteil, andere führen ein Leben, das noch viel schlechter ist.
Andere, andere, andere – und ich?
Zufrieden? Ohne zu vergleichen?
Misslingen – gelingen?
Scheitern – gewinnen?
Vor dem inneren Richter, Ankläger, Staatsanwalt und Verteidiger in einem.
Hölle – Freispruch – Hölle – Freispruch?
Gott, nimm Du mich, mein Verteidiger.