Luther hat eine neue Ära im Kirchenlied aufgeschlagen.
In Gottesdiensten des Mittelalters war Musik äußerst wichtig. Die Notenschrift wurde erfunden, die Orgel setzte sich ab dem 9. Jahrhundert durch, auf Pilgerfahrten und während der Prozessionen wurden viele Lieder gesungen. Im Mittelalter war es jedoch in Gottesdiensten überwiegend so, dass sich der Kirchengesang auf liturgische Gesänge konzentrierte bzw. dass den Gottesdienstbesuchern etwas vorgesungen wurde.
Luther betonte das Priestertum aller Gläubigen, das heißt:
„Alle Christen sind wahrhaft geistlichen Standes, und ist unter ihnen kein Unterschied dann des Amts halben allein. … Demnach so werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweiht. … Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht jedem ziemt, dieses Amt auch auszuüben.“ (1520)
Das heißt, dass jeder für seinen Glauben verantwortlich ist und auch seinen Glauben weiter tragen muss. Doch wie kann man das verwirklichen? Zunächst war es wichtig, dass die Glaubenden stärker als Aktive in den Gottesdiensten einbezogen werden. Darum rief Luther dazu auf, dass möglichst viele Glaubende Lieder dichteten:
„Ich möchte, dass wir möglichst viele Lieder hätten, die das Volk während der Messe singen könnte, zum Graduale, zum Sanctus, zum Agnus Dei. Aber es fehlen uns die Dichter oder sind noch nicht bekannt, die uns fromme und geistliche Lieder sängen, die dann geeignet wären, in der Versammlung Gottes immer wieder gebraucht zu werden“ (1523).
Luther ging dann mit guten Beispiel voran. Er dichtete und nahm zu seinen Liedern Melodien bekannter Volkslieder oder komponierte selbst welche. Im Gesangbuch haben wir zahlreiche Lieder von ihm – Sie können ja einmal in einem stillen Stündchen alle Lieder zählen. Viele dieser Lieder sind aber nicht eigenen Ursprungs, sondern Übertragungen von Psalmen und kirchlichen HymnenTradition, die Luther in die deutsche Sprache übersetzte.
Zum Priestertum aller Gläubigen gehört es auch, dass jeder über den Glauben Bescheid weiß. Und so wird in vielen Liedern Luthers nicht nur munter gesungen. Es wird auch die reformatorische Botschaft vermittelt, damit die Menschen wissen, was sie glauben, damit sie ihren Glauben Wort werden lassen konnten. So zum Beispiel in dem Katechismus-Lied: „Dies sind die heiligen zehn Gebot“. Oder es handelt sich um Lieder, die ermuntern sollten, in allem Kampf für den Glauben durchzuhalten, zum Beispiel: Ein feste Burg ist unser Gott. Manche Lieder geben auch fröhlich den christlichen Glauben wieder: Vom Himmel hoch, da komm ich her. So kann heute gesagt werden: „Die Reformation hat sich weder durchgepredigt, noch durchgeschrieben – sondern durchgesungen“ (Eckert)
Wenn Sie einmal schauen möchten, wie Luther seine reformatorische Botschaft in den Liedern verpackt, der können Sie sich ja einmal ein Lied Luthers nach dem anderen vornehmen und dann versuchen, das Rätsel zu lösen: Was ist in diesem jeweils vorliegenden Lied das Besondere der reformatorischen Botschaft?
Welche Lieder aus dem Gesangbuch von Luther stammen, können sie dem Namenverzeichnis entnehmen.
Und wie ging es weiter? Luthers Dichten und seine Lieder sind Vorbild geworden für weitere Dichter. Er motivierte durch die Jahrhunderte hindurch viele Menschen, Lieder zu dichten und sagte schon zu Lebzeiten:
„Nu haben sich etliche beweiset und die lieder gemehrdt, also das sie mich weit ubertreffen und ynn dem wol meine meister sind.“
Seitdem ist der Gesang aus den Gottesdiensten nicht mehr wegzudenken. Und schauen sie einmal auf youtube – sie werden staunen, wie viele moderne christliche Lieder es gibt!